Notfallkoffer

„Notfallkoffer“ bietet Hilfestellung zur Bewältigung der Situation

Für einen jeden Pädagogen ist es wohl eine der schwierigsten Situationen im Schulalltag. Von der Schulleitung über den Tod einer Schülerin/eines Schülers unterrichtet, wird er mit der Aufgabe beauftragt, die Schulklasse über den Tod zu informieren und anschließend den Tag mit ihnen in besonderer Weise zu gestalten.

Allein der Gedanke an eine derartige Situation löst schon ein gewisses Unbehagen aus. Spontan könnte man meinen, dass die Schule kein Ort für den Tod ist. Denn in der Schule kommen junge Menschen zusammen, die dort für und zugleich über das Leben lernen. In diesem Zusammenhang vom Tod zur reden oder einen Gedanken daran zu verschwenden, erscheint vermessen. Wenn überhaupt, dann wird der Tod eher in Altenheimen und Krankenhäusern verortet.

Dabei kommt es immer wieder vor, dass Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer oder Eltern von Schülerinnen/Schülern sterben und die Todesnachricht den Schulalltag erschüttert. Ob Krankheit, Verkehrsunfall oder Selbstmord - der Tod hat viele Gesichter. Somit macht es Sinn, sich mit dem wichtigen Thema „Sterben und Tod“ im schulischen Kontext auseinanderzusetzen.
Denn was ist zu tun, wenn zum Beispiel eine Schülerin/ein Schüler stirbt?
Wie kann man hilfreich und angemessen in dieser Situation reagieren?

Erfahrungsgemäß sind in dieser Situation oftmals die Religionslehrkräfte gefragt, obwohl die ganze Schule betroffen ist. Sie gelten in den Augen vieler Kolleginnen und Kollegen doch als besondere „Spezialisten“ für alle existenzielle Fragen. Ihnen wird am ehesten zugetraut, die richtigen Worte in dieser Situation zu finden. Was nicht gänzlich ausschließen soll, dass sich nicht auch andere Kollegen in diese Extremsituation mit einbringen.

Dabei kann ein „Notfallkoffer“ behilflich sein, der, nicht nur Religionslehrerinnen und Religionslehrern eine Hilfestellung dazu bietet, diese Situation zu bewältigen. Er eröffnet die Möglichkeit, das Thema Sterben, Tod, Trauer und Weiterleben aufzugreifen und mit Schülern darüber ins Gespräch zu kommen. Denn ein nicht vorhersehbarer oder plötzlicher Tod macht zunächst sprachlos und lähmt.

Zu den praktische Utensilien des „Notfallkoffers“ gehören zum Beispiel ein Kondolenzbuch, ein Kreuz, Kerzen, ein Bilderrahmen für ein Bild des Verstorbenen, Schreibmaterial für Abschiedsbriefe, getrocknete Blütenblätter, Meditationsmusik usw.
Sie sollen helfen, aus dem Schweigen und der Lähmung herauszuführen hin zum Wort und zum Handeln. Sie sollen den Jugendlichen einen Anhaltpunkt geben, um Trauerorte und Trauerrituale in der Schule zu gestalten. Sei es einen Trauerraum oder Gedenktisch gegenständlich auszugestalten, eine Gedenkminute zu halten und sich dabei an den Händen fassen oder einen Baum als Zeichen der Hoffnung zu pflanzen.

Der Inhalt soll sich nach den Bedürfnissen der Benutzer richten. Der Koffer soll in der Schule einen gut zu erreichenden Platz haben, um im Fall einer Krise zur Hand zu sein. Es empfiehlt sich den Koffer nicht erst im Notfall, sondern vorher in aller Ruhe anzuschauen.

 Inhalt des Notfallkoffers:

  • Tuch zur Gestaltung der Mitte
  • Kreuz zum Aufstellen
  • Kerze und Halter, Feuerzeug
  • Gebetskärtchen
  • Teelichter (Gläser)
  • leeres Fotoalbum
  • Kondolenzbuch/Kondolenzkarten
  • Briefpapier
  • Umschläge (für Abschiedsbriefe)
  • CD (Meditationsmusik)
  • Bilderrahmen für Bild des Verstorbenen
  • Blätter für Zeichnungen
  • Blütenblätter
  • kleine Feuerschale
  • Taschentücher
  • Schokolade, Traubenzucker
  • Evtl. einen Koran

 Literatur und Arbeitshilfen:

  • Nina-Christin Flottmann/Angelica Niestadtkötter: „Ich will nicht, dass die tot sind!“ Die Themen Sterben und Katastrophen mit Grundschulkindern, Mülheim an der Ruhr 2007.
  • Martina Görke-Sauer: Trauerrituale – Abschied gestalten, Düsseldorf 2008.
  • Stephanie Witt-Loers: Sterben, Tod und Trauer in der Schule. Eine Orientierungshilfe mit Kopiervorlagen, Göttingen 2009.
  • Magdalena Reinthaler/Hannes Wechner: Plötzlich bist du nicht mehr da: Tod und Trauer von Jugendlichen, Innsbruck 2010.
  • Tod eines Kindes – Hilfe im Notfall, hrsg. v. Bundesverband verwaister Eltern, Leipzig 2011
  • Tote begraben und Trauernde trösten. Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht, in: Die deutschen Bischöfe Nr.81, Bonn 2005.
  • Vom Umgang mit Trauer in der Schule. Handreichung für Lehrkräfte und Erzieher/Innen, Baden-Baden 2008.

 Trauerrituale im Islam:

  • expressives Trauern (weinen, jammern) – sehr unterschiedlich, je nach Glaubensrichtung, Region, Geschlecht
    z.B. Ashura-Ritual (an die Brust schlagen) eher bei Schiiten (richtet sich nur an die verstorbenen Imame); Klageweiber in Algerien, nicht in der Türkei
  • übermäßiges Klagen der Frauen (kulturell bedingt und nicht religiös belegt)
  • Familie ist zentral - Verwandte und Nachbarn bieten praktische Hilfen an (z.B. Behördengänge, kochen)
  • 3 bis 5 Tage intensive Trauerzeit (Besuche der Familie); 40 Tage nach der Beerdigung noch Trauerzeit (kulturell bedingt und nicht religiös belegt); in der Zeit kein Fest - zum Abschluss ein gemeinsames Essen
  • Geschichten über den Verstorbenen werden erzählt - Betonung: „war eine gute Person“
  • Bestattung innerhalb der ersten 3 Tage nach dem Tod; vorher rituelle Waschung; nur Erdbestattung, in einem weißen Leinentuch
  • oft großer Trauerzug; Anteilnahme ist religiöse Pflicht
  • Männer sollen im Rahmen der Beerdigung den Leichnam ein kleines Stück des Weges zum Grab tragen
  • Grab „auf ewig“ - inzwischen auf einigen Friedhöfen in Deutschland gesonderte Plätze für Muslime
  • über 90 % Überführungen in die (erste) Heimat (ca. 3000 € Kosten)
  • Fatiha-Gebet:Sura Al-Fatiha (Die Eröffnende = erste Sure des Koran)

Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen, (1)
alles Lob gebührt Gott, dem Herrn der Welten (2)
dem Allerbarmer, dem Barmherzigen (3),
dem Herrscher am Tage des Gerichts. (4)
Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe. (5)
Führe uns den geraden Weg (6),
den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer,
die (Deinen) Zorn erregt haben, und nicht (den Weg) der Irregehenden. (7)
Amen
Siehe auch: www.islamiq.de/2014/11/05/islamische-trauerrituale

Was könnten Lehrpersonen, Freunde und Klassenkameraden tun, wenn ein/e muslimische/r Schüler/in stirbt?

 Islamwissenschaftler Ali Özdil empfiehlt den Lehrpersonen, möglichst unverkrampft das zu tun, was sie in der Ausbildung gelernt haben und was ihnen ihre Erfahrung nahe legt.

  • Körperkontakt und Blickkontakt zu suchen sei erwünscht.
  • Die Klasse könnte überlegen, wer die Familie besucht, Anteilnahme ausspricht, evtl. auch praktische Hilfe anbietet (z.B. Geld sammeln für eine Überführung).
  • In der Klasse können Geschichten über den/die Mitschüler/in erzählt und positive Erinnerungen ausgetauscht werden.
  • Es sollte mit der Familie besprochen werden, wer an der Beerdigung teilnimmt, wenn sie in Deutschland stattfindet, oder evtl. an einer Abschiedszeremonie vor der Überführung.
  • In der Trauerzeit kein Klassenfest feiern!
  • In der Klasse könnten muslimische Mitschüler/innen das Fatiha-Gebet sprechen (s.o.).
  • Ein Abdruck könnte Teil des Notfallkoffers werden, z.B. in Form eines Schmuckblatts

 Literatur:

  • Thomas Lemmen, Nigar Yardim, Joachim Müller-Lange (Hrsg.): Notfallbegleitung für Muslime und mit Muslimen. Ein Kursbuch zur Ausbildung Ehrenamtlicher, Gütersloh 2011
  • Horst Brandt, Justus Fiedler, Hermann Fränkert-Fechter, Ismail Tuncay (Hrsg.): Wenn das Unfassbare eintritt. Erste Hilfe für die Seele in multikultureller und multireligiöser Gesellschaft, Würzburg 2012.
  • Saniye Özmen: Reflexionen über den Tod aus islamischer Sicht. Hilfe zur Trauerbegleitung in der Schule, in: Kirche und Schule Nr. 175, Münster 2015, S. 30 - 33.

 

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